So hatten sich meine Eltern immer für meine Geschichten interessiert und sogar selbst ein Werk aus dem Chinesischen übersetzt, …
Eine Anekdote aus China: Einst besuchte der Kaiser einen jungen Maler, der schon eine gewisse Bekanntheit hatte, und bat ihn, ihm ein Pferd zu malen. Er würde später wieder vorbeikommen, um es abzuholen. Die Jahre gingen ins Land, und aus dem jungen Maler war ein berühmter Künstler geworden. Eines Tages klopfte es, der Kaiser stand vor seiner Tür. „Wo ist mein Pferd?“, fragte er.
Der Maler verbeugte sich, holte Papier und Tusche und malte mit nur wenigen Strichen ein vollkommenes Pferd.
Obwohl es daran nicht das Geringste auszusetzen gab, war der Kaiser unzufrieden. Der Maler begriff die Gefühle des anderen und begann, seine Schubladen aufzuziehen. In jeder einzelnen waren Zeichnungen von Pferden, Tausenden von Pferden. Der Kaiser verstand, was der Künstler ihm sagen wollte, und belohnte ihn reich.
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Also redigieren und kürzen wir unseren überfrachteten Absatz, machen ihn in unzähligen Verfeinerungsprozessen lesbarer. Wollen den gesuchten Gedanken/ die gewünschte Empfindung in der klarsten Form, der Essenz. Und falls eines Tages der chinesische Kaiser vorbeischaut – oder ein paar Leser:innen –, präsentieren wir stolz diese letzte Version (auch wenn manche dann enttäuscht sind, weil sie die Schublade mit den verworfenen Versionen nicht kennen).
Der von Brad Pitt gespielte lakonische Held wirkt unbesiegbar, wird sogar mühelos mit Bruce Lee fertig.
Benedict Wells: Die Geschichten in uns. Vom Schreiben und vom Leben (2024) Diogenes