In der Klinik hängt Theos Bild neben meinem Bett. So ist es leichter, morgens aufzustehen. Es ist ein Bild, an dem ich mich festklammere, wenn ich der Welt zu kompliziert werde. Wenn ich mich selbst und auch nichts anderes mehr verstehe. Dann denke ich, dass ich nur das Schwarz von meinem Gelb kratzen muss. Das ist Glückskekspoesie. Eigentlich nicht mal. Das weiß ich. Aber manchmal hilft es.
Benjamin Maack: Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein (2020) suhrkamp nova
Maxim Biller: Sieben Versuche zu Lieben (2020)
… und dann verwandelte sich das Gesicht des Ungetüms ein letztes Mal, die gelbe Haut überspannte plötzlich Mund Nase und Stirn wie bei einem uralten Chinesenkaiser, die Augen blickten matt, wie von einer schrecklichen Sonne gebleicht, die Ohrläppchen, groß und zerfurcht, waren mit grauen und weißen Haare übersät, der Kopf zitterte, und in den Mundwinkeln hingen weiße Krümel. (Ein trauriger Sohn für Pollok)
Mieko Kawakami: Brüste und Eier (2019)
In der Bar, in der Makiko arbeitet, wurde eine junge Chinesin eingestellt.
„Na ja, ungefähr zwei Monate vorher hatte eine neue Aushilfe angefangen. Eine Chinesin. Soll zum Studium nach Japan gekommen sein. … Jedenfalls ist Jingli, so heißt das Mädchen, eine ganz normale Studentin. Schwarze Haare, helle Haut, ungeschminkt. Mama Chanel hat einen richtigen Narren an ihr gefressen.“
„Das kann ich verstehen. Von der Sorte gibt’s in Shobashi ja nicht so viele.“
„Genau. Außerdem ist sie Chinesin. Die musst du, anders als Koreanerinnen, wirklich suchen. Na ja, viel kann sie jedenfalls nicht. Im Prinzip sitzt sie die ganze Zeit nur rum, Japanisch spricht sie auch nur wenig, und trotzdem himmeln die Kunden sie an …“
Irgendwann – in der Bar war nichts los – waren wir mal nur zu dritt, Suzuka, Jingli und ich. … Da wir nichts Besseres zu tun hatten, fragten wir Jingli nach China. Mit welchen Zeichen man ihren Namen schreibt und so.
Meinen Namen schreibt man mit den Zeichen für ’still‘ und ‚Heimat'“, äffte Makiko Jinglis chinesischen Akzent nach.
„Ob das Leben in China wirklich so hart sei? Ob die Leute wirklich so arm seien? Ob die wirklich alle im Mao-Anzug Fahrrad führen? Ob es immer noch in wäre, leere Nescafé-Gläser mit Oolong-Tee zu befüllen? Das hätte ich mal im Fernsehen gesehen. Ja, ja, sagt Jingli, in Peking würde man groß von Olympia reden, aber das wäre alles Augenwischerei, das gälte nur für einen Bruchteil der Chinesen, die meisten Leute hätten kein Geld, müssten sehen, wo sie bleiben, versuchten das beste aus dem zu machen, was sie hätten, viel wäre es nicht, aber weil es neben Geld auch an Know-how fehlte, wäre bei einem Erdbeben in Sichuan kürzlich eine Schule eingestürzt, und dabei wären ganz viele Kinder ums Leben gekommen. Die Toiletten hätten keine Türen, in ihrem Dorf wäre alles eins, Straßen, Häuser, Kühe, Menschen. Alle würden gern in einem so sauberen und reichen Land wie Japan leben, für viele wäre das ein Traum.
Dann kommen wir auf Politik. Wer ist da doch gleich der starke Mann? Hu Jintao? Jingli sagt jedenfalls, in ihrem Herzen sei für immer Deng Xiaoping, und legt sich die Hand auf die Brust.
Tessa Hadley: The Past (2015)
— Ever had a Chinese burn? he said slyly.
— What is that?
— We used to do them in the playground at junior school. Give me your arm.
Petros Markaris: Zurück auf Start (2014)
Der griechische Kommissar Charitos hat zum Chinesischen so wenig Zugang wie zum Deutschen.
Ich beginne, das Bücherregel zu durchsuchen. Fast alle Bände sind auf Deutsch, was für mich so unverständlich ist wie Chinesisch.
Chimamanda Ngozi Adichie: Americanah (2013)
„Ich meine, also, ich weiß, dass sie in China Katzenfleisch und Hundefleisch essen.“
Nicholson Baker: So geht’s. Essays (2012)18
… Auch die Pop-Tarts-Seite ist oft in Aufruhr. … Sie wurden Anfang der sechziger Jahre in China entwickelt. (Der Charme von Wikipedia)
Dubravka Ugrešić: Karaokekultur (2010)
Die Kroaten, offenbar müde geworden, immer wieder Denkmäler mit politischen Botschaften niederzureißen und neue zu errichten, haben neulich ein Denkmal für Bruce Lee enthüllt. Es wurde 2005 im Stadtpark Zrinjevac in Mostar aufgestellt, wo Bruce Lee schlicht den Kampf um Gerechtigkeit ohne komplizierte ethnische Konnotationen symbolisiert. Doch am Tag darauf wurde es bereits von unbekannten Vandalen demoliert.
Wenn Bruce Lee in Mostar und Rocky Balboa in Žitište ein Denkmal bekommen haben, warum sollen wir in Čačak einem authentischen Sexsymbol der achtziger Jahre nicht die Ehre erweisen?
(Ein Denkmal dem polnischen Wasserinstallateur)
Eine junge Chinesin in der Schlange kreischt etwas Unverständliches in ihr Handy. Die Stimmen junger Chinesinnen und die junger Marokkaner sind ähnlich durchdringend, denke ich. Dann schiebe ich verschämt diesen Gedanken beiseite. (Mein chauvinistisches Ohr, mein menschenfeindliches Auge)
In meinen sozialistischen Schulbüchern wimmelte es übrigens von lehrreichen Märchen, Sprichwörtern, Rätseln und anderen Formen der mündlich überlieferten Literatur. Die habe ich inzwischen vergessen, seitdem verspüre ich aber eine Abneigung gegenüber Volksweisheiten. Ich ertrage die Weisheiten nicht einmal auf den Zetteln bei den chinesischen Glückskeksen. (Langes Leben)
James Baldwin: Beale Street Blues (1974)
Am Dienstag nach dem Montag wo ich bei Hayward war, hab ich um sechs Uhr Fonny besucht. So verzweifelt hab ich ihn überhaupt noch nie erlebt.
„Scheiße, was machen wir denn wegen Mrs Rogers? Wo hat sich die Alte hin verkrochen?“
„Keine Ahnung, aber wir finden sie.“
„Wie denn?“
„Wir schicken Leute nach Puerto Rico. Wir glauben, dass sie da hin ist.“
„Und wenn sie nach Argentinien ist? Oder Chile? Oder China?“
„Fonny, bitte. Wie soll sie denn so weit kommen?“
Muriel Barbery: Die Eleganz des Igels (2006)
Aber den Stoff für mein Tagebuch habe ich gefunden, als sich zwei junge Chinesinnen auf dem Sprungbrett präsentierten. Zwei langgliedrige Göttinnen mit glänzenden schwarzen Zöpfen, die Zwillinge hätten sein können, so sehr glichen sie einander, doch der Kommentator hat präzisiert, dass sie nicht einmal Schwestern sind. … Nach ein paar anmutigen Hüpfern sind sie gesprungen. … Kurz, die zwei Grazien springen, und ganz am Anfang ist es reine Extase. Und dann, oh Schreck! Plötzlich hat man das Gefühl, dass es eine ganz ganz leichte Verschiebung zwischen ihnen gibt. … Sie sind nicht synchron! Die eine wird vor der anderen ins Wasser tauchen! Es ist schrecklich!
Und plötzlich habe ich den Fernseher an geschrieen: „So hol sie doch ein, so hol sie doch ein!“ … Ist das jetzt die Bewegung der Welt? Eine winzig kleine Verschiebung, die die Möglichkeit der Perfektion für immer ruiniert? … Und dann habe ich mich plötzlich gefragt: Warum wollte man unbedingt, dass sie die andere einholt?
„Mein Sohn sagt, die Chinesen seien unnachgiebig!“
Wie das mit einer Schabe im Mund so ist, sagt Madaahme Rosen nicht die Chinesen, sondern die Chünösen. Ich habe immer davon geträumt, Chüna zu bereisen. Das ist doch viel interessanter, als nach China zu fahren.
A. M. Homes: This Book Will Save Your Life (2006)
Leno continues, “Also in the news, the Chinese president today said he was giving up fried lice for Lent—or was that Rent?”
Yann Martel: Schiffbruch mit Tiger (2001)
Die Offiziere waren Japaner, die Mannschaft kam aus Taiwan, und es war ein großes und eindrucksvolles Schiff. … Einer von ihnen warf mir eine Schwimmweste zu und rief etwas auf Chinesisch. … Es war ein Gesicht wie die Flügel eines Schmetterlings, weise und irgendwie chinesisch. … Seine Züge – das breite Gesicht, die flache Nase, die schmalen Augen mit der auffälligen Lidfalte – wirkten so elegant. Ich fand, er sah aus, wie ein chinesischer Kaiser. … Er sprach kein Englisch, nicht ein einziges Wort, nicht einmal ja oder nein oder hallo oder danke. Nur Chinesisch.
Heinrich Steinfest: Mariaschwarz (2008)
Alexa paßte auf, wurde in jeder Hinsicht selbständig, trat ins Geschäftsleben ein und begann mit Tee aus China zu handeln. Das war damals relativ neu: grüner Tee. Die Leute glaubten noch, Tee würde edlere oder schönere Menschen aus ihnen machen, erst recht grüner Tee. Jedenfalls verstand sich Alexa sehr viel besser mit den Chinesen als mit den Russen …
Philipp Tingler: Fischtal (2007)
… zum Beispiel hat seine Mutter ihn in West-Berlin aus dem herrschaftsfreien Kinderladen genommen, nachdem ihr zu Ohren gekommen ist, dass dort als Disziplinierungsmaßnahme die chinesische Tröpfchenfolter angewendet wird …
Meja Mwangi: Der Tanz der Kakerlaken (1979)
„Die schlechte Nachricht ist, Sie haben die
Grippe.“
„Grippe?“, fragte Dusman verblüfft. „Nur Grippe?“
„Hongkonggrippe“, ergänzte der Arzt.
„Wie kommt das“, fragte Dusman, da Dr. Patel keine weiteren Angaben
machte. „Ich war noch nie in Hongkong.“
„Sie heißt nur so“, erläuterte der Mediziner.
Er wandte sich endlich an das Mädchen, das ihn sympathisch fand.
„Hab ich die Hongkonggrippe nicht von dir?“, fragte er.
„Was ist das denn?“, war ihre Gegenfrage.
Alfred Andersch: Sansibar oder der letzte Grund (1957)
Warum sieht die vor den Nazis fliehende Judith im Wirt des „Wappen von Wismar“ einen dicken Chinesen?
Die innere Tür zur Gaststube war eine Schwingtür, die knarrend vor und zurück schwang, während er die Kästen hinauswuchtete. Ein Chinese, dachte Judith, ein großer, weißer, fetter Chinese. Nur nicht so leise wie ein Chinese.
Ich kann den Pass nicht zeigen, sonst bin ich geliefert. Der Chinese läßt nicht mit sich reden.
… oder der Wirt hilft mir, der böse Wirt hinter der grünen Tür, der Chinese in der Herberge mit dem alten schönen Namen, aber lieber wären mir die schwedischen Matrosen, dachte Judith, …
Charles Jackson: Das verlorene Wochenende (1944)
Fiebrig stand er da, schwach, mit glänzenden Augen und abwesendem Blick, und die Schreibmaschine, die ihm den Arm aus dem Schultergelenk zog, war wie ein Eisen, das von einem riesigen, tief im Mittelpunkt der Erde vergrabenen Magneten angezogen wurde, ein Gewicht aus Säure, die sich bis nach China fressen und ihn hinter sich herschleifen würde.
Julian Barnes: Flauberts Papagei (1984)
Sein bevorzugtes Regierungsmodell war ein chinesisches – das des Mandarinats; obwohl er ohne weiteres zugab, dass die Chancen, es in Frankreich einzuführen, äußerst gering seien. Sie halten das Mandarinat für einen Rückschritt? „Ich bin im selben Maß Chinese wie Franzose“, erklärte Flaubert. Das heißt, auch nicht mehr Chinese: wäre er in Peking geboren worden, hätte er die dortigen Patrioten zweifellos auch enttäuscht.
Flaubert erschien 1952 auf einer französischen Briefmarke (Wert 8 F + 2 F). Es ist ein nichtssagendes Portrait „nach E. Giraud“, auf dem der Romancier – dessen Züge leicht chinesisch anmuten – mit einem untypisch modernen Hemdkragen und Schlips ausstaffiert worden ist.